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Digitale Pandemie-Eindämmung?

Projektrückblick: Gesellschaftliche Akzeptanz von Pandemie-Apps (Projekt COMPASS)

Mit Smartphone Apps gegen die COVID-19-Pandemie

Zu Beginn der COVID-19-Pandemie stand für viele Regierungen fest, dass sie zur Unterstützung der Eindämmung und der Erforschung des neuartigen Coronavirus auf digitale Lösungen setzen wollen. Innerhalb kürzester Zeit wurden im Frühjahr und Sommer 2020 eine Vielzahl an Apps mit verschiedenen Zwecksetzungen für das Smartphone und sogenannte Web-Apps für den Internet-Browser entwickelt. So gibt es beispielsweise Apps mit den Hauptfunktionen Unterstützung des Test-Managements, gesundheitlicher Symptomcheck (‚Tracking‘), Datenweitergabe an die epidemiologische Forschung (‚Datenspende‘) sowie Nachverfolgung von Kontakten mit infizierten Personen (‚Contact Tracing‘). Darunter stellen die vom Robert-Koch-Institut (RKI) im Auftrag der Bundesregierung herausgegebene ‚Corona-Warn-App‘, die ‚Corona-Datenspende-App‘ und neuerdings die Luca-App sicher die bekanntesten Beispiele dar.

Bild: shutterstock.com / Firn

Die Entwicklung der Apps und die Entscheidung für bestimmte App-Eigenschaften ist bis heute von vielschichtigen technischen und ethischen Diskussionen begleitet. Sie betreffen unter anderem solche vielfältigen Fragen: Wie und wo sollen die von einer App erhobenen Daten gespeichert werden? Welche Technologien (GPS, Bluetooth) sollen zur Datenübertragung eingesetzt werden? Inwiefern können die Nutzer*innen die App selbstbestimmt nutzen? Sind die Prozesse der Datenspeicherung und die beteiligten Akteure in der Datenauswertung transparent? Ist die App-Nutzung eine moralische oder soziale Pflicht?

Bewährte Bausteine für und ethische Anforderungen an die App-Entwicklung

Damit bei zukünftigen Pandemien App-Entwickler*innen – zum Beispiel auch von Universitätskliniken – auf miteinander kompatible und erprobte App-Bausteine zurückgreifen können, erscheint es sinnvoll, bewährte Lösungen („best-practices“), technische Empfehlungen zur Konstruktion, regulatorische Anforderungen an Apps sowie ethische Empfehlungen zusammenzutragen. Dieser Aufgabe hat sich das Verbundprojekt Coordination on mobile pandemic apps best practice and solution sharing (COMPASS) mit einem besonderen Fokus auf forschungskompatible Apps gewidmet. Das COMPASS-Projekt ist Teil des 2020 gegründeten Nationalen Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin zu Covid-19 (NUM) und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Im Rahmen des COMPASS-Projekts war das Institut für Ethik und Geschichte der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) (Prof. Dr. Silke Schicktanz, Lorina Buhr) mit zwei eigenen Studien im Arbeitspaket „Ethische Anforderungen“ beteiligt (Laufzeit: September 2020 bis März 2021). Weitere Beteiligte dieses Arbeitspaketes waren das Universitätsklinikum Würzburg (Prof. Dr. Rüdiger Pryss), das Universitätsklinikum Ulm, sowie das Universitätsklinikum Regensburg.

Bild: shutterstock.com / ellenabsl
Teilstudien am Institut

Eine Teilstudie umfasste die systematische Sichtung der Fachliteratur zu ethischen Empfehlungen zur Entwicklung und Anwendung von Pandemie-bezogenen Smartphone Apps (‚Scoping Review‘). Aus der Literatursichtung konnten eine Reihe von ethischen Handlungsempfehlungen für App-Entwickler*innen gewonnen werden, diese sind auch in die NUM-COMPASS Online-Plattform ‚Wissensbasis Pandemie-App-Entwicklung‘ eingeflossen.

Im Rahmen der zweiten Teilstudie wurde eine repräsentative Bevölkerungsumfrage durchgeführt. Ziel der Umfrage war es, Einstellungen und Akzeptenzpotentiale in der breiten Bevölkerung gegenüber Pandemie-Apps zu erheben, die auf die Datenweitergabe an Forschungsinstitute ausgelegt sind (‚forschungskompatible Pandemie-Apps‘).

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Umfrage haben wichtige Erkenntnisse für die Betrachtung ethischer Dimensionen der Nutzung von Pandemie-Apps und die Kommunikation rund um den Einsatz von Pandemie-Apps geliefert. Eine zentrale Einsicht war, dass forschungsorientierte Apps großes Potential haben angenommen zu werden, wenn sie von staatlichen Institutionen herausgegeben werden, da sich eine deutliche Mehrheit der Befragten zur Weitergabe von App-Daten an staatliche Forschungsinstitute bereit zeigte. Dagegen ist das Vertrauen in privatwirtschaftliche Akteure rund um die Herausgabe und Speicherung von Daten von Pandemie-Apps deutlich geringer. Auch gibt es Nachholbedarf in der Aufbereitung und Zugänglichkeit von Informationen rund um Pandemie-Apps und deren Datenverarbeitung. Erste Ergebnisse der Bevölkerungsumfrage sind bereits im Ärzteblatt erschienen. Eine ausführliche Darstellung der Bevölkerungsumfrage und ihrer Ergebnisse sollen nun außerdem in einem internationalen Fachjournal publiziert werden.

Einen herzlichen Dank an Lorina Buhr für die Ausarbeitung dieses Beitrages!